Die Nachricht von Elaine Yeats' Tod war so absurd, dass sie zuerst niemand glaubte.
"Böses stirbt nie", sagten die Leute. Und wenn irgendjemand bewiesen hat, dass dieses Sprichwort stimmt, dann war es Elaine Yeats.
Eine eifersüchtige, verlogene, intrigante Alptraumfrau – so toxisch, dass sie praktisch Gift ausdünstete. Wie konnte so jemand einfach tot umfallen? Das ergab keinen Sinn.
Die meisten Leute taten es als eines ihrer aufmerksamkeitsheischenden Spielchen ab. Typisch Elaine. Sie hatte im Laufe der Jahre genug Eskapaden veranstaltet, dass jeder die Augen verdrehte und weitermachte.
Genau in diesem Moment war Tracy Yeats, Elaines Mutter, unterwegs, um ein Geburtstagskleid zu kaufen. Aber nicht für Elaine. Nein, das war für Bianca Yeats – Tracys Adoptivtochter.
Bianca war nicht einmal Blutsverwandt, aber sie war bei der Geburt vertauscht worden und als Yeats aufgewachsen. Tracy verehrte sie, als wäre sie ihr eigenes Fleisch und Blut. Vielleicht sogar noch mehr.
Elaine? Sie hatte auch Geburtstag. Nicht, dass Tracy das kümmerte. Sie hatte es völlig vergessen, bis ihr ein Diener flüsternd eine Erinnerung gab. Mit einem genervten Seufzer griff Tracy irgendein Kleid vom Ständer und warf es in ihren Wagen. 'Bianca würde das sowieso nicht tragen', dachte sie. 'Kann ich es genauso gut Elaine geben.'
Null Schuldgefühle. Null Zögern. Tracy war nicht die Art von Frau, die sich darüber den Kopf zerbrach, Favoriten zu spielen.
Eine Woche zuvor war der Haushalt der Yeats ein Schlachtfeld gewesen. Tracy war Elaine nie nahe gestanden.
Ehrlich gesagt, machte Elaine es einem schwer, sie zu lieben, mit ihrem Schmollen und dem ständigen Drama. Neben Bianca – süß, anmutig und jedermanns Liebling – konnte Elaine einfach nicht mithalten.
Für Tracy war Bianca die perfekte Tochter. Elaine war nur ein wütender Schatten, der es nicht ertragen konnte, übersehen zu werden. Und als Elaine schließlich ausrastete, war es eine Katastrophe.
Sie hatte Bianca in eine Falle gelockt, um von einer Gang von Schlägern in die Enge getrieben zu werden – nur um ihr Angst einzujagen. Aber es ging schief.
Bianca rannte auf die Straße und schrammte sich den Arm an einem vorbeifahrenden Auto auf. Es war keine große Verletzung, aber der Anblick von Blut versetzte Tracy in Raserei.
"Was zum Teufel ist los mit dir?!", hatte Tracy geschrien, ohne Elaine überhaupt erklären zu lassen.
Elaine geriet in Panik. Je mehr Tracy schrie, desto verzweifelter wurde sie. Dann, in einem ausgewachsenen Zusammenbruch, griff Elaine nach einem Messer und schnitt sich die Handgelenke auf.
Blut tropfte auf den Boden, während sie schrie: "Reicht dir das?! Ist es das, was du willst? Soll ich einfach für sie sterben?!"
Selbst dann wurde Tracy nicht milder. Wenn überhaupt, machte Elaines Ausbruch sie nur noch angewiderter. "Du brauchst Hilfe", murmelte sie kalt, kaum einen Blick auf das Blut werfend. "Deine Schwester würde so einen Scheiß nie abziehen."
Diese Zeile? Sie zerstörte Elaine. Ihr ganzes Leben lang hatte sie darum gekämpft, dazuzugehören, zu beweisen, dass sie wichtig war. Aber egal wie sehr sie sich anstrengte, sie war immer die Außenseiterin.
Jetzt plante Tracy eine riesige Geburtstagsparty für Bianca – eine laute, glitzernde Erinnerung daran, dass Elaine eine Nebensache war.
Aber Elaine würde die Party nicht mehr erleben. Sie war weg. Getötet bei einer heftigen Autoexplosion, die kein Unfall war.
Sieben ihrer Brüder – die goldenen Jungen der Yeats-Familie – waren mit ihr im Auto gewesen. Alle unter Drogen gesetzt und eingesperrt, als der Rauch dichter wurde.
Bianca schaffte es, sich durch ein Fenster zu zwängen, weinend und zitternd. Aber Elaine? Sie blieb. Irgendwie blieb sie lange genug wach, um ihre Brüder einen nach dem anderen herauszuziehen und jede Unze Kraft zu nutzen, die sie noch hatte.
Als der letzte Bruder in Sicherheit war, drehte sie sich nach ihrem Teddybären um. Dumm, oder? Eine alberne Kleinigkeit, die sie nicht zurücklassen konnte. Aber ihr Körper versagte, bevor sie entkommen konnte.
Sie brach auf dem Rücksitz zusammen, erstickte an Rauch, zu schwach, um sich zu bewegen.
Durch den Dunst sah sie ihre Brüder aufwachen. Erleichterung überflutete sie. Zumindest waren sie in Sicherheit. Aber dann sah sie, wie sie an ihr vorbeieilten. Direkt zu Bianca.
Sie schlangen die Arme um sie, panisch, und suchten nach Verletzungen. Nicht einer von ihnen warf Elaine auch nur einen Blick zu.
"Elaine ist noch im Auto!", schluchzte Bianca, Tränen strömten ihr über das Gesicht. "Was ist mit ihr?"
Shawn, der Älteste, drehte sich zu dem brennenden Auto um. "Mach dir keine Sorgen", sagte er, seine Stimme kalt und abweisend. "Sie ist wahrscheinlich weggelaufen. Jemand wie sie würde nicht für irgendjemanden außer sich selbst bleiben."
Elaine wurde ihr ganzes Leben lang missverstanden. Sie hätte es jetzt gewohnt sein sollen. Aber selbst in ihren letzten Momenten tat es verdammt weh.
Sie sahen nie, wer sie wirklich war. Nur die bittere, eifersüchtige Frau, von der sie dachten, sie könne ihre Schwester nicht ausstehen.
Elaines Finger umklammerten den alten, ramponierten Teddybären – das Einzige, woran sie sich ihr ganzes Leben lang geklammert hatte. Komisch war, dass der Bär nicht einmal ihr gehörte. Er hatte ursprünglich Bianca gehört.
Die Brüder hatten ihn Elaine erst gegeben, als Bianca ihn nicht mehr wollte. Wie irgendein Überbleibsel. Aber für Elaine war er nicht nur ein Bär. Er war alles. Sie trug ihn überallhin mit sich herum und hielt ihn fest, als ob er irgendwie ihr Leben zusammenhalten könnte.
Ihre Familie hielt sie wahrscheinlich für erbärmlich. Verdammt, vielleicht hatten sie Recht. Aber was Elaine wirklich tragisch machte, war nicht ihre Anhänglichkeit an den dummen Bären.
Es war die blinde, verzweifelte Hoffnung, die sie mit sich herumtrug – dass sie sie eines Tages vielleicht tatsächlich lieben würden.
Erst ganz am Ende, als sie dort lag, die Lungen voller Rauch und die Welt verblasste, verstand Elaine endlich: Sie hatten es nie getan.
Und sie würden es nie tun. Aber sie konnte sich trotzdem nicht davon abhalten, sich zu fragen: 'Würde Mama weinen, wenn sie es hörte? Würde sie die Dinge bereuen, die sie gesagt hatte? Würden meine Brüder auch nur das kleinste bisschen Schuld empfinden, wenn sie merkten, was ich für sie getan habe?'
Aber niemand blickte zurück. Niemand dachte auch nur daran, auf das Mädchen zurückzublicken, das noch in dem brennenden Auto gefangen war.
Ihre Brüder, die sie alles gegeben hatte, waren um Bianca gewickelt und schluchzten erleichtert, dass es ihr gut ging.
Bianca war alles, was für sie zählte. Elaine? Sie bekam keinen zweiten Blick.
Und das war Elaine Yeats' Leben. Vergessen. Ungeliebt. Und am Ende völlig bedeutungslos.
Aber Elaine schwor, wenn es ein nächstes Leben gäbe, würde sie die Dinge anders machen. Kein Betteln mehr. Kein Aufopfern mehr für Menschen, denen es einen Dreck bedeutete.
Als sich ihre Augen zum letzten Mal schlossen, sah sie es – ihr Grab. Ihr Name war in den kalten grauen Stein gehauen, umgeben von Rosen. Rosen, die sie immer für ihre zerbrechliche Schönheit geliebt hatte.
Und vor dem Grab kniete ein Mann. Seine Stirn ruhte auf dem Stein, seine Schultern zitterten. Tränen strömten ihm über das Gesicht – Tränen, von denen niemand gedacht hätte, dass jemand wie er sie vergießen könnte.
Dieser Mann war Kingsley Morgan. Der Erbe der unantastbaren Morgan-Familie. CEO der riesigen Morgan Group. Immer ruhig, immer die Kontrolle. Die Art von Typ, der einen Raum mit nur einem Blick zum Schweigen bringen konnte. Er hatte sein Leben im Griff – immer. Aber jetzt war er gebrochen.
Elaine hatte Rosen immer geliebt, obwohl die Leute sie gerne als Ersatz für Kamelien bezeichneten. Genau wie sie ihr Leben damit verbracht hatte, ein Ersatz zu sein. Ein Schatten.
Sie hatte im Schatten von Bianca Yeats gelebt, der Adoptivtochter ihrer Familie. Bianca: von allen verehrt, von vielen beneidet. Bianca: das Mädchen, das jeder sein wollte.
Elaines größtes Bedauern war nicht, dass sie nicht hell genug strahlte. Es war, dass sie sich bereitwillig selbst verdunkelte. Sie hatte ihr eigenes Licht begraben, ihre Talente weggeschoben und ihren Geist gebrochen, alles für die Chance, einen Fetzen Liebe von ihrer Familie zu erhaschen.
Sie verwandelte sich in eine Nebenrolle in der Geschichte eines anderen, in der Hoffnung auf ein Rampenlicht, das nie kam.
Wenn sie alles noch einmal tun könnte, würde sie es nicht tun. Nie wieder würde sie ihren Kopf beugen oder ihre Ecken und Kanten für irgendjemanden abschleifen. Nie wieder würde sie um die Zustimmung von Menschen kämpfen, die sie nie sehen würden. Sie hatte es satt, Zuneigung hinterherzujagen, die nicht da war.
Kingsleys Stimme durchbrach die Stille, rau und zitternd. "Elaine, du warst so verdammt dumm."
Und irgendwo, tief im Inneren, hätte Elaine zugestimmt.
Seine Hand fuhr sich schüttelnd durchs Haar, als er nochmals flüsterte. "Warum zum Teufel hast du das getan? Warum hast du alles für Leute gegeben, denen du scheißegal warst?"
Seine Stimme brach, jedes Wort sprudelte heraus, als würde es ihn zerreißen. "Aber keine Sorge. Ich werde sie dafür bezahlen lassen. Jeden einzelnen von ihnen."
Das war alles, was er ihr noch geben konnte. Rache.
Niemand sah es kommen. Niemand hätte vermutet, dass Kingsley Morgan, der goldene Junge mit dem perfekten Leben, für sie jede Grenze überschreiten würde. Aber er tat es. Er plante alles – den Autounfall, die Folgen. Alles für sie.
Der Mann, der einst das Bild der Kontrolle gewesen war, stand jetzt blutüberströmt da. Sein tadelloser Anzug war ruiniert, dunkelrote Flecken breiteten sich wie Schatten über den Stoff aus.
Sein Gesicht war eine Maske – kalt, unnachgiebig –, als er in den dunklen Keller trat. Er sah furchterregend aus, ganz der Mann, der von Rache verzehrt wurde.
Aber dann fiel sein Blick auf den Sarg in der Mitte des Raumes, und alles wurde weicher. Seine Augen füllten sich mit roher Emotion, und er kniete langsam nieder, als würde er sich vor etwas Heiligem verbeugen.
Die Polizei durchkämmte die Stadt auf der Suche nach ihm, aber Kingsley kümmerte es nicht. Leben und Tod hatten aufgehört, eine Rolle zu spielen, in dem Moment, als Elaine verschwunden war.
Das Grab, in dem sie sie beerdigt hatten, war eine Lüge. Es enthielt nichts als ein leeres Kleid. Elaines echter Körper lag hier, unberührt, konserviert, in einem Sarg, den er nur für sie gebaut hatte.
Kingsleys Stimme zitterte. "Elaine, ich habe es getan", flüsterte er. "Ich habe dich gerächt."