Erstes Kapitel
Ein Mann, dessen durchnässtes Haar in Schweißperlen auf Giselle Clarkes Schlüsselbeine tropfte.
Seine blutunterlaufenen Augen brannten vor Verlangen, ein Blick, der sie mit Haut und Haar zu verschlingen drohte.
„Jake…“ Giselle traute ihren Augen kaum. Sie hätte längst tot sein müssen, überfahren von ihrem jüngeren Bruder, Ryan Clarke. Doch sie lebte, und zwar mehr als deutlich.
Die feuchten, schmatzenden Küsse von Jake Halpern rissen Giselle unsanft aus ihren Gedanken.
Als ihr wieder einfiel, wie gleichgültig Jake ihr früher begegnet war, stemmte sie sich mit aller Kraft gegen ihn. Doch ihre Anstrengung war ein Nichts gegen seinen eisernen Griff.
Ein stechender Schmerz auf ihren Lippen, die Luft blieb ihr weg.
Im letzten Moment, bevor Giselle erstickte, stieß Jake sie mit einem Ruck von sich.
Ein Hauch von Blut klebte an seinen Lippen, während er hastig sein Hemd bis zum obersten Knopf schloss.
Gerade noch von unbändiger Gier getrieben, umgab ihn jetzt eine eisige, unnahbare Aura. Keine Spur von Gefühl in seinem Gesicht.
Mit einem Blick voller Verachtung taxierte er Giselle und spottete: „Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich auch nur mit der Kneifzange anfassen?“
<Jake! Warum! Warum hast du mich geheiratet, wenn du mich nicht liebst? Warum dieser Hass, nach all der Zeit, die wir verheiratet sind? Warum musst du meine Gefühle so mit Füßen treten!>
Ein verzweifelter, schriller Schrei hallte in ihrem Inneren wider.
In diesem Augenblick kehrte Giselle mit einem Schlag in die Realität zurück, überflutet von Erinnerungen.
Vier Jahre war es her, dass sie Jake geheiratet hatte. Und doch hatte er sich in den sechs Monaten ihrer Ehe standhaft geweigert, ihr auch nur nahezukommen. Sie hatte alles versucht, um ihm zu gefallen, doch er begegnete ihr mit eisiger Gleichgültigkeit.
Schließlich hatte sie sich von ihrer Schwester Fawn Clarke dazu überreden lassen, ihm ein Aphrodisiakum in den Drink zu mischen. Doch selbst die hohe Dosis hatte Jakes eiserne Selbstbeherrschung nicht brechen können.
„Wenn sich das wiederholt, verschwinde aus meinem Blickfeld“, hatte Jake mit finsterer Miene gewarnt. Dann hatte er den Raum verlassen und die Tür hinter sich ins Schloss geknallt.
Mit Striemen und blauen Flecken übersät, starrte Giselle entsetzt vor sich hin, als ihr die Erkenntnis wie ein Schlag traf.
<Bin ich… zurückversetzt in die Zeit vor vier Jahren, als ich Jake noch mit jeder Faser meines Herzens liebte, so sehr, dass ich meine ganze Würde verloren habe?>
Giselle holte tief Luft. Obwohl Jake sie ohne jede Gnade behandelt hatte, fühlte sie eine seltsame innere Ruhe.
„Oh, danke, dass du mich freigibst, Jake Halpern“, flüsterte sie vor sich hin.
Während ihrer gesamten Ehe hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als von Jake akzeptiert zu werden. Sie hatte ihre Schauspielkarriere aufgegeben, alle Verbindungen zu ihren Freunden gekappt. Sie hatte sogar ihre Oma, die sie großgezogen hatte, für ihn verlassen.
Doch als ihre Oma starb, war Jake nie ans Telefon gegangen. Erst da hatte sie erkannt, dass all ihre Bemühungen umsonst gewesen waren. Jake hatte sie nie aus Liebe geheiratet. Er wollte lediglich seinem schwerkranken Großvater einen Gefallen tun. Giselles einzige Aufgabe war es, die Rolle der braven Ehefrau zu spielen, solange sein Großvater am Leben war.
Doch Giselle war stur gewesen. Sie hatte geglaubt, mit genügend Anstrengung seine Gefühle doch noch erwidern zu können.
Nun, da sie eine zweite Chance bekommen hatte, war sie fest entschlossen, ihre Fehler nicht zu wiederholen. Ihre Liebe zu Jake spielte keine Rolle mehr. Wenn sie ein neues Leben wollte, musste sie ihn hinter sich lassen.






