Als die induzierte Abtreibung vorbei war, war es bereits spät in der Nacht. Der gewaltige Sturm hatte sich draußen vor dem Fenster zu einem feinen Nieselregen reduziert.
Die Fernsehnachrichten berichteten immer noch über den schweren Regensturm, der sich erst heute ereignet hatte. Die Schlagzeilen lauteten: "Heftiger Wolkenbruch in Oceanville fordert 18 Tote auf U-Bahnlinie, 600 Passagiere evakuiert".
Trotz des Unbehagens durch das Narkosemittel zwang ich mich, nach meinem Handy zu suchen und meinen Mann, Walter Patterson, anzurufen.
Mama lag neben mir, immer noch bewusstlos.
Ich dachte, es wäre Zeit für eine Scheidung.
Der kalte, monotone Wählton klingelte immer wieder in meinen Ohren. Gerade als das Gespräch von selbst beendet werden sollte, nahm Walter endlich ab. Er klang wütend und ungeduldig.
"Was zum Teufel? Der Sturm ist doch schon vorbei, warum rufst du überhaupt an? Ich war den ganzen Tag beschäftigt und hatte noch nicht einmal einen Schluck Wasser!
"Tracys Bein ist verletzt und ihr Hund ist auch schwer krank. Papa hat ihn gerade an den Tropf gehängt. Wir passen immer noch auf sie auf."
"Thomas, Wally, vielen Dank. Wenn ihr beide nicht gewesen wärt, wüsste ich nicht, was mit mir und Maple passiert wäre. Wir wären sicher schon lange tot, wie die 18 Passagiere auf der U-Bahnlinie."
Tracys schwache Stimme war sofort am Telefon zu hören, gefolgt von den tröstenden Worten meines Stiefvaters.
Ach, mein grimmiger und strenger Stiefvater hatte also doch eine weiche und sanfte Seite! Sein Verhalten bewies mir, dass es einen großen Unterschied zwischen seinem Umgang mit Menschen gab, die er liebte und nicht liebte.
Ich lächelte bitter und sagte: "In diesem Fall, Walter, lass uns scheiden. Ich… ich kann das nicht mehr."
Walter schwieg nur zwei Sekunden lang, bevor sein Zorn über mich hereinbrach.
"Bist du fertig mit deinem Geschwätz? Ich weiß, dass du während des Sturms gefangen warst, aber war ich nicht auch damit beschäftigt, Menschen zu retten? Tracy war auch gefangen, also was soll das große Problem sein, wenn ich sie und ihren Hund auf dem Weg gerettet habe?
"Du willst dich doch nicht etwa deswegen von mir scheiden lassen? Hast du nicht ein Fünkchen Empathie in dir? Du weißt doch, dass Tracy es schwer hat, ganz allein zu sein!"
Tracy hatte es schwer? Hatten meine Mutter und ich es also leicht?
Mama hatte sich gerade einer großen Operation unterzogen, während ich mich dem Ende meiner Schwangerschaft näherte. Waren wir also nicht einmal so viel wert wie eine Außenstehende oder gar ihr verdammter Hund?
Schwangere Frauen waren normalerweise emotional instabil. Ich wollte weinen, aber ich schaute auf und zwang meine Tränen zurück.
Walter schrie mich immer noch durch das Telefon an. "Du willst eine Scheidung? Du bist schon im neunten Monat schwanger, also wagst du es, dich von mir scheiden zu lassen? Du liebst das Baby zu sehr! Willst du, dass es ohne Vater aufwächst?
"Hör auf, so viel von dir selbst zu halten, um Gottes Willen! Tracy braucht uns noch. Du solltest dich selbst reflektieren!"
Damit legte Walter auf.
Ich versuchte, ihn erneut anzurufen, stellte dann aber fest, dass er meine Nummer blockiert hatte.
Ich lächelte bitter, als ich auf meinen Bauch starrte. Er war früher heute noch riesig und rund, aber jetzt war er nur noch flach wie ein leerer Ballon. Mein Handy glitt mir durch die Finger und fiel mit einem lauten Knall zu Boden.
Walter hatte Recht gehabt. Wenn mein Baby noch da wäre, würde ich darauf bestehen, ihm eine vollständige Familie zu geben. Ich wollte nicht, dass es vaterlos aufwächst, also hätte ich mich definitiv dafür entschieden, Walter zu verzeihen.
Aber jetzt hatte ich kein Baby mehr. Der einzige Klebstoff, der mich an Walter band, war verschwunden. Also konnte ich mich genauso gut jetzt von ihm scheiden lassen. Was sollte das Warten überhaupt? Ich würde mich nur noch mehr vor mir selbst ekeln, wenn ich bleiben würde.
Und war die Rettung von Tracy wirklich "auf dem Weg", wie Walter behauptet hatte? Sie war in der völlig entgegengesetzten Richtung von dem Ort, an dem die Katastrophe geschehen war. Selbst wenn die Feuerwehr ihn zur Hilfe geschickt hätte, wäre Walter niemals in Tracys Richtung gefahren.
Hatte er überhaupt an mich gedacht, als ich ihn so oft anrief? Hatte er an das Baby in meinem Bauch gedacht, das bald geboren werden sollte?
Wahrscheinlich war es ihm einfach egal. Sonst hätte er nicht 18 Mal aufgelegt oder in einem so eiskalten Ton mit mir gesprochen. Warum sonst sollte er mir sagen, ich solle auf jemanden anderen warten, der mich rettet?
Ich war seine Frau! Ich trug sein Baby!
Und wir hatten es ein ganzes Jahr lang versucht, bevor dieses Baby endlich zustande kam.
Ich konnte mich noch an die unerträglichen Schmerzen erinnern, die ich hatte. Ich konnte mich auch an die Enttäuschung und Hilflosigkeit erinnern, die ich während der induzierten Abtreibung empfand. Mein Baby wurde mir weggenommen, und ich konnte nichts dagegen tun.
Während ich tief in Gedanken versunken war, klingelte Mamas Handy. Es war ein Anruf von Thomas Patterson, meinem Stiefvater.
Da ich dachte, Mama sei noch nicht von ihrer Operation aufgewacht, beschloss ich, für sie abzunehmen.
Aber gerade als ich ihr Handy nehmen wollte, wachte Mama auf und nahm den Anruf selbst entgegen.
Sofort dröhnte Thomas' frustrierte Stimme in unseren Ohren. "Stella Damone! Kannst du deiner Tochter nicht beibringen, wie man sich benimmt? Du bist so eine Enttäuschung für eine Mutter! Sind die Hooligan-Gene deines Ex-Mannes so stark, dass sie alles von ihm hat?
"Warum zum Teufel sollte sie wegen einer so trivialen Angelegenheit eine Scheidung wollen? Scheidung ist nichts, worüber sie so leichtfertig scherzen sollte!"
















