Giselle stand wortlos vor ihrem Schreibtisch, der mit Müll übersät war. Der Anblick war haargenau so, wie sie ihn aus ihrem früheren Leben in Erinnerung hatte.
Ein verwüsteter Schreibtisch, Botengänge zwischen den Unterrichtsstunden und endlose Spottreden – all das waren feste Bestandteile ihrer Erinnerungen an die Saint Rhone Academy.
Die Schüler, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, ergötzten sich geradezu daran, auf den anderen herumzutrampeln.
Nachdem sie sich in ihrem früheren Leben mit Jake verlobt hatte, schickte ihre Familie sie nur der Reputation wegen an die Saint Rhone Academy.
Damals war sie ein feiger Jasager und ertrug die Schikanen ihrer Mitschüler klaglos.
„Ich wollte deinen Schreibtisch ja sauber machen, aber sie haben mich nicht gelassen…“ Evas Stimme versickerte fast. Bis Giselles Ankunft hatte sie verängstigt in einer Ecke des Klassenzimmers gehockt. Bevor Giselle an die Akademie kam, war sie das bevorzugte Ziel des Mobbings in der Klasse gewesen.
Giselle wandte sich dem schmächtigen Mädchen zu, ihrer einzigen Freundin an der Saint Rhone Academy.
Sie hob die Hand, um Eva sanft über den Kopf zu streichen, wirbelte dann herum und fixierte den Raum hinter sich mit einem Blick, während sie donnerte: „Wer war das?!“
Doch alle ignorierten sie, bis auf Emma, die ihr Kinn gelangweilt auf ihre Hand stützte und sie mit hochgezogenen Augenbrauen taxierte. „Du bist für die Reinigung des Klassenzimmers zuständig, aber heute Morgen hast du dich ja nicht blicken lassen. Also musste ich den Müll dorthin befördern, wo er hingehört.“
Für Emma war Giselle nichts weiter als ein feiges Stück Dreck.
„Du warst das also?“, fragte Giselle. Emmas Attitüde war ihr nicht neu.
Emma hatte schon immer die treibende Kraft hinter den Schikanen gegen Giselle gewesen, aber sie ahnte nichts von Giselles neu erwachter Persönlichkeit. Mit einer abfälligen Handbewegung entgegnete sie höhnisch: „Gern geschehen. Na, willst du jetzt dieses Chaos beseitigen? Du müffelst nämlich gerade ganz ordentlich.“
„Stimmt! Worauf wartest du überhaupt? Du magst den ekelhaften Gestank ja vielleicht, aber wir ganz sicher nicht“, kreischte eines der Biest-Girls.
„Kannst dich wohl nicht von dem Müll trennen? Warum nimmst du ihn nicht einfach mit nach Hause?“, säuselte ein anderes spöttisch.
Bei diesen giftigen Worten verzog sich Evas Miene. Sie wollte etwas entgegnen, biss sich aber auf die Zunge. Stattdessen wollte sie Giselle helfen, doch ihre Freundin ließ sie nicht.
„Ich mache das schon“, beharrte Giselle und kippte den Müll zurück in den Eimer.
Emma wusste, dass Giselle nicht zu denen gehörte, die sich wehrten, und Giselles Nachgiebigkeit bestätigte sie nur darin. Sie bemerkte süffisant: „War doch gar nicht so schwer, oder?“
Selbstgefällig wandte sich Emma wieder ihren Freundinnen zu, um ihre Unterhaltung fortzusetzen.
Doch mitten in ihrem Geplauder entfuhr einer von ihnen ein entsetztes Keuchen.
Bevor Emma reagieren konnte, hatte Giselle ihr die Mülltonne über den Kopf gestülpt. Ihr wallendes, langes Haar und ihr teures Designer-Kleid waren mit dem widerwärtigen Inhalt getränkt.
In diesem Moment klappten allen Anwesenden die Kinnladen herunter. Emmas Freundinnen rissen die Augen auf, als wären sie nicht von dieser Welt.
Als Giselle sah, wie Emma ihre eigene Medizin schmeckte, huschte ein diabolisch-befriedigendes Grinsen über ihr Gesicht. „Ich habe den Müll nur dorthin entsorgt, wo er hingehört.“
















