Selenes Perspektive „Drei Jahre sollten dir genug Zeit geben, dich an die Freiheit zu gewöhnen, und dein Status als Alphas Gemahlin wird dir lebenslangen Schutz garantieren, selbst wenn wir nicht zusammenbleiben. Es stünde dir frei, einen anderen Gefährten zu wählen", bestätigt Bastien. In diesem Moment legt sich ein Schalter in mir um, und die Flut an Emotionen, die droht hervorzustürzen, wird abgestellt, sodass ich mich glückselig taub fühle. „Wenn das ist, was du willst", höre ich mich sagen. „Ich denke, es ist das Beste." Bastien klingt sehr weit weg, und ich drehe mich zurück zum Spiegel und starre wieder auf die Fremde. Das Licht ist aus ihren Augen verschwunden, und ich frage mich, wie es überhaupt jemals dort erschienen ist. Meine Zukunft ist jetzt klar. Der Hoffnungsschimmer, den ich in den letzten Wochen langsam kultiviert habe, beginnt zu flackern; wenn ich Bastien nicht vor dem Ende unseres Vertrags für mich gewinnen kann, werde ich meine neue Lebensader verlieren. Drei Jahre später Das stetige Wusch-Wusch eines Ultraschallgeräts erfüllt das kleine Untersuchungszimmer. Ein leises Pochen gesellt sich zu den fremden Geräuschen des Geräts, und der Arzt, der zwischen meinen Beinen sitzt, grinst mich an: „Und da ist der Herzschlag." „Das ist ohne Zweifel das schönste Geräusch, das ich je gehört habe", flüstere ich. „Ich werde Mutter werden", hauche ich in seliger Ungläubigkeit. Ich kann es kaum erwarten, Bastien davon zu erzählen. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich mich Hals über Kopf in Bastien verliebt hatte. Ich liebe Bastien, weil er freundlich und sanft ist, wenn er es nicht sein müsste; weil er alles für die Mitglieder seines Rudels opfern würde. Ich liebe ihn, weil er genauso klug und witzig ist, wie er beschützend und mutig ist, weil er mir das Gefühl gibt, das mir noch nie jemand zuvor gegeben hat oder jemals geben wird. Ich muss mich daran erinnern, dass Bastien bereits Liebe gefunden hatte, als wir uns kennenlernten, mit einer Frau, die keine ständige Aufmunterung und Verwöhnung brauchte; eine Frau, die ihm ebenbürtig war. Kein Wunder, dass er mich immer auf Distanz gehalten hat, sich nie geöffnet hat, mich nie hineingelassen hat. Es ist mir nicht gelungen, ihn dazu zu bringen, mich zu lieben, zumindest nicht so, wie ich ihn liebe. Doch wir waren in letzter Zeit so glücklich, glücklich genug, dass ich beschloss, an unserem Jahrestag vorzuschlagen, den Vertrag zu verlängern. Ich will nicht egoistisch sein, ich will nicht, dass Bastien sich mit mir zufrieden gibt, wenn ich nicht wirklich das bin, was er will, aber wenn es eine Chance gibt, dass er mich wollen könnte, muss ich sie ergreifen. Auf dem Heimweg halte ich an, um Lebensmittel zu kaufen, und plane ein besonderes Abendessen für meine Ankündigung. Ich gehe aufs Ganze, kaufe guten Wein, obwohl ich ihn nicht trinken kann, sowie die besten Fleischstücke und das dekadenteste Dessert, das ich finden kann. Ich beobachte die Uhr, während ich nach Hause fahre, und hoffe, dass ich Bastien zuvorkomme und die Waren nach oben schleichen kann. Obwohl die Familie des Alphas und ihre Betas alle im Rudelhaus mit einer Reihe von Vollstreckern leben, finden die offiziellen Rudelgeschäfte im Regierungsgebäude nebenan statt. Einige kleinere Rudel könnten alles von ihrem zentralen Haus aus erledigen, aber die Novas sind dem Raum vor Jahrhunderten entwachsen. Bastien und ich leben in einem privaten Apartment im obersten Stockwerk, was uns die Möglichkeit gibt, uns mit dem Rest des Hauses zu treffen und unsere Tage mit ihnen zu verbringen oder uns allein zu verschanzen. Heute Abend ist definitiv eine Nacht zum Verschanzen. Ich grinse wie ein Narr, seit ich die Arztpraxis verlassen habe, ich kann mich nicht erinnern, mich jemals so leicht gefühlt zu haben. Ich habe geübt, die Neuigkeiten mitzuteilen, während ich fuhr, und eine Reihe von Strategien durchlaufen, bevor ich mich entschied, Bastien einfach ohne Spielchen oder Vortäuschung zu informieren. Schmetterlinge flattern heftig in meinem Bauch, während ich die Treppe hinaufsteige, mein Körper vibriert vor Aufregung. Ich muss die Taschen in meinen Armen jonglieren, um den Türgriff zu erreichen, schaffe es aber schließlich. Das entzückte Lächeln verschwindet aus meinem Gesicht, sobald ich eintrete. Bastien ist bereits da und wartet auf mich. Er sitzt allein im abgedunkelten Wohnzimmer, einen Tumbler mit bernsteinfarbener Flüssigkeit in seiner großen Faust und eine ernste Miene dominiert sein hübsches Gesicht. Ich halte abrupt inne und beäuge ihn vorsichtig. Seine Augen leuchten silbern, ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass sein Wolf um die Kontrolle kämpft. Ich stelle meine Taschen ab und nähere mich zögernd meinem Ehemann. „Bastien?", beginne ich vorsichtig. „Ist alles in Ordnung?" „Nimm Platz, Selene." Der satte Bass seiner Stimme ist rau und emotionslos. Ich tue, wie er sagt, und lasse mich auf die Kante des Sofas sinken, meine Wirbelsäule kerzengerade. Ich weiß sofort, was kommt. Ich kann sehen, wie meine Hoffnungen und Träume um mich herum einstürzen, als wären sie real und nicht nur Hirngespinste meiner Fantasie. Liebesbriefe und Eheringe, Ultraschallbilder und Kinderwagen, Kinderspielzeug und winzige Schuhe – all das liegt zu meinen Füßen auf dem Boden. Ich habe Angst zu sprechen. Ich weiß, dass es keine Möglichkeit gibt, Bastiens Meinung zu ändern, sobald er sie sich gebildet hat, aber ein wahnhafter Teil meines Gehirns stellt sich immer noch vor, dass sich das unvermeidliche Ergebnis ändern könnte, wenn ich das Richtige tue oder sage. Seine unergründlichen Augen halten mich gefangen und starren durch mich hindurch, während die Stille sich hinzieht. Sie dehnt sich so lange aus, dass ich gegen den Drang ankämpfen muss, auf meinem Sitz herumzurutschen. Normalerweise genießt es Bastien, mich zum Zappeln zu bringen, aber das ist anders. Dies ist kein Wolf, der mit seinem Futter spielt, dies ist ein Spitzenprädator, der zum Töten ansetzt. Schließlich spricht er. „Ich weiß, dass unser Jahrestag erst morgen ist", beginnt er ernst, „aber ich kann das nicht länger hinauszögern." Wenn Garrick mir eine nützliche Fähigkeit beigebracht hat, dann war es, meine Gefühle um meiner eigenen Selbsterhaltung willen zu verbergen. Bastien würde meine Gefühle niemals so als Waffe einsetzen, wie Garrick es getan hatte, aber ich will nicht, dass er weiß, wie sehr mich das verletzen wird, nicht, wenn ich mich schon so dumm fühle. Ich kann nicht glauben, wie dumm ich gewesen bin, wie naiv. „Morgen werde ich meinen Vater veranlassen, die Dinge für unsere Ablehnungszeremonie in die Wege zu leiten." Sein Telefon beginnt zu klingeln, und bevor ich überhaupt antworten kann, nimmt er den Anruf an und hält das Gerät ans Ohr. „Hey Bella", begrüßt er herzlich, steht vom Sofa auf und geht an mir vorbei, als wäre ich völlig unsichtbar. Ich kann das ferne Kichern weiblichen Gelächters am anderen Ende der Leitung hören, er kichert, als er den Raum verlässt, ohne darauf zu warten, was ich sage oder wie ich auf seine Ankündigung reagiere. Die Kälte seines Verhaltens trifft mich ins Mark. Ich war auf schlechte Nachrichten vorbereitet, aber ich hätte nie erwartet, dass mein Mann so gefühllos sein würde. Es ist jetzt klar, was passiert, und wie üblich scheine ich die Letzte zu sein, die es weiß. Bastien verlässt mich für Arabella, und das Letzte, was er außer mir will, ist ein Baby, das von einem armseligen Halbblut geboren wurde.