„Wen heiraten?", Sophies Draytons Stimme durchschnitt die Luft wie eine Rasierklinge, ihr scharfer Ton hallte wider von Unglauben. Sie starrte ihren Vater über den langen Mahagonitisch in seinem Büro an, ihre Nägel gruben sich in die Armlehne ihres Ledersessels. „Das ist doch nicht dein Ernst."
„Ich meine es todernst", sagte ihr Vater, Robert Drayton, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sein stählerner Blick bohrte sich in ihren, unbeeindruckt von ihrem Widerstand. „Du wirst Luca Alvarez heiraten."
Allein der Name löste eine Welle des Ekels in ihrem Magen aus. Luca Alvarez. Der unerträgliche Erbe von Alvarez Industries, ein berüchtigter Playboy mit einem Ruf für Rücksichtslosigkeit und Manipulation. Seine Familie war seit Jahren ihre Rivalen, ihre Zusammenstöße waren in den Medien gut dokumentiert. Allein der Gedanke, mit ihm verbunden zu sein, auch nur dem Namen nach, ließ ihr Blut kochen.
„Nein", stellte sie entschieden fest, verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Kiefer zusammen. „Das werde ich nicht tun."
Ihr Vater lehnte sich vor, die Hände gefaltet, das Gewicht seiner Autorität lastete wie ein Berg auf ihr. „Das ist keine Bitte, Sophia. Es ist ein Befehl, das ist der einzige Weg, um Drayton Tech zu retten."
Sophia stand abrupt auf, ihr Stuhl kreischte auf dem polierten Holzboden. „Auf keinen Fall heirate ich ihn", fuhr sie ihn an. „Das ist doch Wahnsinn. Wir brauchen die Familie Alvarez nicht. Wir können den Wettbewerb alleine bestehen."
„Sei nicht naiv", knurrte Robert, seine Stimme erhob sich, als sein Temperament aufflammte. „Die Konkurrenz ist stärker, als du denkst. Sowohl Drayton Tech als auch Alvarez Industries sind verwundbar, und dies ist der einzige Weg, um unsere Macht zu festigen und diese Geier in Schach zu halten." Hier greift eine Metapher auf die Zeit der Industriellen Revolution zurück, in der Familienunternehmen durch Zukäufe und Fusionen versuchten, ihre Marktposition zu festigen.
Sophia spürte eine brennende Hitze in ihren Wangen aufsteigen. „Und mich wie eine Art... wie eine Art Schachfigur zu verkaufen... ist deine Lösung?"
„Achte auf deinen Ton, Sophia!", bellte ihr Vater, stand jetzt auf und überragte sie. Sein Gesicht war rot vor Wut, seine Stimme dröhnte in den Grenzen des Büros. „Du magst zwar die CEO sein, aber ich bin immer noch ein Vorstandsmitglied, und vor allem bist du immer noch meine Tochter. Und solange ich lebe, wirst du tun, was ich sage."
Sie spottete und schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist doch barbarisch. Du kannst doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich diesen... diesen arroganten, oberflächlichen..."
„Ich erwarte von dir, dass du diese Familie an erste Stelle setzt!", unterbrach Richard sie und schlug mit der Hand auf den Tisch. Der Schall hallte durch den Raum und ließ Sophia trotz allem zusammenzucken. „Bei dieser Ehe geht es nicht nur um dich. Es geht darum, alles zu retten, was dein Großvater aufgebaut hat. Wenn du dich weigerst, wirst du dafür verantwortlich sein, dass alles um dich herum zerbricht." Dies spiegelt die traditionelle deutsche Vorstellung von Familie und Erbe wider, wie sie im *Bürgerliches Gesetzbuch* (BGB) festgeschrieben ist.
Sophies Fäuste ballten sich an ihren Seiten. Jede Faser ihres Wesens schrie danach, ihm zu trotzen, hinauszugehen und nie zurückzublicken, aber das Gewicht ihrer Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und die Jahre, die sie damit verbracht hatte, sich in einer Welt zu beweisen, die von Männern wie ihrem Vater dominiert wurde, hielten sie an Ort und Stelle fest.
„Ich werde es nicht tun", wiederholte sie, aber ihre Stimme hatte ihre Schärfe verloren und war nun durch einen Hauch von Verzweiflung ersetzt worden.
Die Augen ihres Vaters verengten sich. „Dann betrachte dich als enterbt."
Sophia erstarrte, ihr Herz setzte einen Schlag aus. Das Wort traf sie wie ein Faustschlag in die Magengrube, die Luft im Raum wurde dick und erstickend. Enterbt? War er wirklich bereit, so weit zu gehen?
Ihre Gedanken rasten. Drayton Tech war für sie nicht nur ein Unternehmen... es war ihr Lebenswerk. Sie hatte jede Unze ihrer Energie hineingesteckt, ihr Privatleben, ihr Glück geopfert, um es zu dem Branchenführer zu machen, der es heute war. Und jetzt, alles zu verlieren, weil sie sich weigerte, Luca Alvarez zu heiraten?
Die Stimme ihres Vaters wurde etwas sanfter, aber sein Blick blieb kalt. „Das ist größer als du, Sophia. Das bist du klug genug zu wissen. Denk an die Konsequenzen. Wenn Drayton Tech fällt, wird es nicht nur das Unternehmen sein. Tausende von Arbeitsplätzen. Unser Erbe. Alles, wofür dein Großvater und ich gearbeitet haben, alles, wofür du gearbeitet hast, wird dahin sein."
Sophias Kehle schnürte sich zu, ein Sturm von Gefühlen wirbelte in ihr. Wut. Groll. Angst. Und darunter ein widerliches Gefühl der Ohnmacht. Sie hatte sich immer darauf verlassen, die Kontrolle zu haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Aber jetzt, in diesem Moment, erkannte sie, wie wenig Kontrolle sie wirklich hatte.
„Ich kann nicht glauben, dass du mir das antun würdest", flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu ihrem Vater. „Ihn zu heiraten wäre ein Albtraum."
Robert atmete aus, seine Schultern entspannten sich leicht, aber sein Gesichtsausdruck blieb fest. „Es ist deine Entscheidung, Sophia. Heirate Luca Alvarez oder gehe weg von dieser Familie und allem, was wir aufgebaut haben."
Sie stand da, ihr Verstand taub, ihr Herz raste. Die Wahl war keine Wahl.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Büro, das letzte Ultimatum ihres Vaters hallte in ihren Ohren wider.
*****
Die Tür zu ihrem Zimmer knallte hinter ihr zu, und Sophia lehnte sich dagegen, schloss die Augen und versuchte, den Wirbelwind der Gefühle zu beruhigen, der drohte, sie zu zerreißen. Ihre Brust hob und senkte sich in abgehackten Atemzügen, ihre Finger zitterten vor Wut.
„Enterbt", murmelte sie vor sich hin, ihre Stimme zitterte vor Unglauben. Ihr Vater hatte tatsächlich gedroht, sie zu enterben. Deswegen? Wegen Luca Alvarez? Sie fühlte sich wie in einem verdrehten Albtraum gefangen.
Sie stieß sich von der Tür ab und ging zu ihrem Schreibtisch, wo ihr eleganter Laptop geöffnet stand. Sie brauchte etwas, irgendetwas, um sich von der Flutwelle der Frustration abzulenken, die über sie hereinbrach.
Aber als sie ihren Browser öffnete, hatte das Universum andere Pläne.
Da war er, der sie vom Bildschirm aus anstarrte: Luca Alvarez. Mit Gottes Segen, immerhin.
Die Schlagzeile prangte: „Luca Alvarez: Milliardärs-Playboy, schafft es unter die Top 10 der New Yorker Milliardäre?"
Sophia spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte, als sie auf den Artikel klickte, das Foto von Luca – natürlich grinsend – brannte sich in ihr Gedächtnis ein. Sein dunkles Haar war zurückgegelt, sein maßgeschneiderter Anzug schmiegte sich perfekt an seinen breiten Körper, und diese kalten, berechnenden Augen schienen durch den Bildschirm zu dringen. Er sah ganz wie der arrogante, selbstsüchtige Mistkerl aus, als den sie ihn in Erinnerung hatte.
Sie hatte ihn im Laufe der Jahre nur ein paar Mal getroffen, immer auf Wohltätigkeitsgalas oder Wirtschaftsgipfeln. Jede Interaktion hatte sie daran erinnert, warum sie ihn verabscheute: die Art, wie er seinen Charme zur Manipulation einsetzte, die Art, wie er sie abtat, als wäre sie unter ihm. Die Vorstellung, neben ihm zu stehen, ein Leben, eine Ehe mit ihm zu teilen, war unerträglich.
Sophia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und starrte das Bild von ihm an. Wie war es so weit gekommen? Wie hatte ihr Vater, ihr eigener Vater, beschlossen, dass dies die Lösung sei? Sie an den einen Mann zu ketten, der ihr Leben noch unerträglicher machen konnte, als es ohnehin schon war?
Ihre Gedanken rasten, verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg, einem Ausweg aus diesem Albtraum. Aber jeder Weg, den sie in Betracht zog, führte zu dem gleichen Schluss: Wenn sie sich weigerte, würde sie alles verlieren.
Ihre Finger schwebten über der Tastatur, während sie weiterhin auf Lucas selbstgefälliges Gesicht starrte. Sie war sicher, dass er sich im Glanz dieser Vereinbarung sonnte. Für ihn war dies wahrscheinlich nur ein weiteres Geschäft, eine Fusion, ein Machtspiel. Er kümmerte sich wahrscheinlich nicht einmal um die Konsequenzen. Solange es ihm und seinem Imperium zugute kam, würde er mitspielen.
Und was war mit ihr? Würde sie zulassen, dass sie auf diese Weise benutzt wurde, auf nichts weiter als eine Schachfigur im Spiel ihres Vaters reduziert wurde? Würde sie wirklich ihre Autonomie, ihre Würde für das Wohl eines Unternehmens opfern?
Sophia atmete scharf aus und klappte den Laptop zu. Sie musste nachdenken. Sie brauchte einen Plan.
Aber die Realität der Situation nagte an ihr. Egal, was sie tat, sie war gefangen. Die Ehe war unvermeidlich, und so war auch der Verlust der Kontrolle, die sie so hart erkämpft hatte.
Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als sie von ihrem Schreibtisch aufstand und zum Fenster ging. Draußen glitzerte die Stadt unter dem Nachthimmel, ohne Notiz von dem Aufruhr zu nehmen, der in ihr tobte. Sie fühlte sich so klein, so hilflos gegen die Mächte, die sich ihr näherten.
Luca Alvarez. Der Name hallte in ihrem Kopf wider, verspottete sie und erinnerte sie daran, dass ihr Leben nicht mehr ihr gehörte.
Aber eines war sicher: Wenn sie Luca Alvarez heiraten würde, dann nicht zu seinen Bedingungen.
Nein, wenn sie zu dieser Verbindung gezwungen wurde, würde sie verdammt noch mal dafür sorgen, dass sie diejenige war, die die Fäden zog. Diese Ehe mag eine geschäftliche Vereinbarung sein, aber Sophia Drayton würde niemals zulassen, dass sie zur Marionette eines anderen wird.
















