"Mutter, ich kann das nicht."
Sophias Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, ihre Hände zitterten, als sie die Kanten des reich verzierten Schminktisches vor sich umklammerte. Ihr Spiegelbild starrte zurück, die Augen weit aufgerissen und glänzend vor unvergossenen Tränen. Die Last des Hochzeitskleides schien sie zu erdrücken, die komplizierte Spitze und der Satin wirkten plötzlich erstickend.
Ihre Mutter, Caroline Drayton, stand hinter ihr und legte sanft die Hände auf Sophias Schultern. "Sophia, Liebling, du musst. Du weißt, dass es hier nicht nur um dich geht. Es geht um die Zukunft unserer Familie."
Sophia schluckte schwer und zwang die Emotionen zurück, die drohten, überzukochen. "Ich weiß, aber es fühlt sich... falsch an." Ihre Stimme brach. "So sollte eine Ehe nicht sein. Ich habe das Gefühl, ich unterschreibe mein Leben weg."
Carolines Gesicht erweichte sich vor Mitgefühl, aber in ihren Augen lag auch eine stählerne Entschlossenheit. "Bei einer Ehe geht es nicht immer um Liebe, Sophia. Vor allem nicht für uns. Du bist stärker als das, stärker als du denkst. Du hast dich dein ganzes Leben darauf vorbereitet."
Sophia blinzelte ihre Tränen weg und erzwang ein schwaches Lächeln. Aber es erreichte ihre Augen nicht. Ihr ganzes Leben war eine einzige riesige Generalprobe für diesen Moment gewesen, eine Fusion, die als Hochzeit getarnt war, eine Zukunft, die sie sich nicht ausgesucht hatte. Und jetzt stand sie hier, kurz davor, Luca Alvarez zu heiraten, einen Mann, der ihr eine Gänsehaut über den Körper jagte, genauso wie er ihr Herz schneller schlagen ließ. Wie war es möglich, beides gleichzeitig zu fühlen? Mit Gottes Segen sollte es nicht sein.
In diesem Moment schwang die Tür auf, und ihr Vater, Richard Drayton, stürmte in den Raum, sein Gesichtsausdruck war kaum verhüllte Wut. Sein Blick huschte über die Szene vor ihm, seine Tochter in Tränen, seine Frau, die Trost spendete. Sein Kiefer war angespannt.
"Was soll diese alberne Zurschaustellung von Gefühlen?", bellte er, seine Augen verengten sich beim Anblick ihrer emotionalen Darbietung. "Da draußen warten Hunderte von Menschen, und ihr beide sitzt hier und vergießt Tränen? Reißt euch zusammen. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten. Die Gäste werden unruhig, und wir können uns keine Verzögerungen leisten."
Sophia versteifte sich bei seinem Ton und wischte die vereinzelte Träne weg, die ihr über die Wange gelaufen war. Ihre Mutter seufzte und gab Sophia einen letzten Klaps auf die Schulter, bevor sie zurücktrat. "Sie ist bereit, Richard. Gib ihr einfach... eine Minute."
Aber Richard wollte nichts davon hören. "Es gibt keine Zeit mehr für Minuten. Du wusstest, dass dieser Tag kommen würde. Beweg deinen verdammten Arsch hoch, Sophia. Es ist Zeit."
Sophia holte tief Luft und erhob sich vom Schminktisch. Ihre Beine wackelten leicht unter dem schweren Stoff ihres Kleides. Ihr Vater bot ihr keine Hand an, um sie zu stützen. Stattdessen ging er zur Tür und wartete darauf, dass sie ihm folgte.
Mit einem letzten Blick auf ihre Mutter straffte Sophia ihre Schultern und folgte ihrem Vater aus dem Raum, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Der Korridor schien sich endlos zu erstrecken, und mit jedem Schritt fühlte sich das Echo ihrer Absätze auf dem Marmorboden wie der Schlag einer Kriegstrommel an.
Als sie die großen Domtüren erreichten, wurde das leise Gemurmel der versammelten Gäste deutlicher, die Luft war schwer von Erwartung. Sophias Magen krampfte sich zusammen, als sich die Türen langsam öffneten und die Menge der High-Society-Eliten, Journalisten und Fotografen enthüllten, die alle gekommen waren, um das Ereignis des Jahrhunderts mitzuerleben. Sie fühlte sich wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wurde, ganz wie die protestantischen Märtyrer im Dreißigjährigen Krieg (vgl. *Der Dreißigjährige Krieg* von Friedrich Schiller).
Ihr Vater verstärkte seinen Griff um ihren Arm, als sie den Gang betraten, und Sophia stockte der Atem, als ihre Augen auf Luca fielen. Er stand am Altar und sah in seinem perfekt sitzenden Smoking unglaublich gut aus. Für einen Moment, nur einen flüchtigen Moment, vergaß sie den Albtraum, der sie umgab. Er sah... vernichtend perfekt aus. Die Art, wie das Licht die scharfen Winkel seines Gesichts einfing, seine dunklen Augen, die unter der Last der Zeremonie glühten, machte es schwer, sich daran zu erinnern, warum sie diese Anordnung so sehr hasste.
Aber dann holte die Realität sie wieder ein. Dies war ein Geschäft, keine Liebesgeschichte. Sie war kurz davor, Frau Luca Alvarez zu werden, nicht wegen Leidenschaft oder Romantik, sondern weil es ihre Familien mächtiger machen würde. Ihr Magen verknotete sich bei dem Gedanken.
Als sie den Altar erreichten, ließ ihr Vater ihren Arm los, und sie wurde Luca übergeben. Ihre Augen trafen sich für einen kurzen Moment, und etwas Unausgesprochenes ging zwischen ihnen hin und her, eine Anerkennung dessen, was dies wirklich war. Eine Vereinigung von Imperien.
Die Gelübde kamen und gingen wie im Nebel, die Worte des Priesters nahmen Sophia kaum wahr. Sie fühlte sich von ihrem eigenen Körper entkoppelt, als ob sie die ganze Szene aus der Ferne beobachtete. Erst als Luca ihr sanft den Ring an den Finger steckte, riss sie es wieder in den Moment zurück, die Last des goldenen Bandes fühlte sich viel schwerer an, als sie hätte sein sollen.
"Sie dürfen die Braut küssen", verkündete der Priester.
Lucas Lippen berührten ihre kurz, eine bloße Formalität. Es gab keine Zärtlichkeit, keine Zuneigung. Nur Verpflichtung.
Der Applaus der Menge war ohrenbetäubend, aber alles, was Sophia hören konnte, war das Hämmern ihres Herzens, als sie Arm in Arm unter den wachsamen Augen ihrer Gäste den Gang entlanggingen.
Der anschließende Empfang war ein großes Ereignis, eine Feier, die so extravagant war wie die Fusion selbst. Der Ballsaal war gefüllt mit Reichen und Mächtigen, alle in ihren feinsten Kleidern, mit aufgesetztem Lächeln, als sie auf das glückliche Paar anstießen. Sophia bewegte sich durch die Menge, ihr Gesicht schmerzte von den erzwungenen Lächeln und der höflichen Smalltalk. Geschäftspartner gratulierten, einige aufrichtiger als andere. Einige waren dreister und deuteten an, dass sie jedes Mittel einsetzen sollte, um Luca in Schach zu halten, auch Sex.
Sie nickte, lächelte und entschuldigte sich so anmutig wie möglich, aber innerlich kochte sie vor Wut. Wie konnten diese Leute sie auf nichts weiter als eine Sexualpartnerin reduzieren? Ein Accessoire für Lucas Erfolg? Sie hasste jede Sekunde davon, aber sie musste es aushalten. Sie musste einfach nur die Nacht überstehen.
Irgendwann schaffte sie es endlich, sich neben Luca zu setzen, ihre Füße schmerzten von stundenlangem Stehen und gefälschten Gesprächen. Sie warf ihm einen Blick zu und fragte sich, ob er die gleiche Frustration empfand wie sie. Aber bevor sie etwas sagen konnte, stolzierte eine Frau in einem kurzen roten Kleid auf sie zu, ihre Hüften schwangen bei jedem Schritt verführerisch.
Sophias Herz setzte einen Schlag aus, als sich die Frau näherte, und sie bemerkte sofort, wie sich Luca neben ihr anspannte. Die Frau war atemberaubend, groß, mit rabenschwarzem Haar und einem Körper, der sich in den engen, schimmernden Stoff ihres Kleides zu ergießen schien. Als sie sie erreichte, schenkte sie Luca ein langsames, wissendes Lächeln, bevor sie beiläufig ihre Glückwünsche aussprach.
"Herzlichen Glückwunsch, Luca. Du siehst... glücklich aus", schnurrte die Frau, ihre Augen verließen ihn nie.
Sophia spürte, wie sich Luca neben ihr versteifte, sein Kiefer spannte sich an. Er nickte der Frau kurz zu, seine Stimme war angespannt. "Danke."
Damit machte die Dame auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Menge, ihr Abgang war genauso verführerisch wie ihre Ankunft. Sophia kniff die Augen zusammen, ihre Gedanken rasten. "Wer war das?"
Bevor sie fragen konnte, stand Luca abrupt auf und murmelte etwas davon, dass er einen Moment brauche. Er wartete ihre Antwort nicht ab, bevor er sich beeilte und sie fassungslos und misstrauisch sitzen ließ.
Ihr Puls beschleunigte sich. Irgendetwas stimmte nicht.
Ohne nachzudenken, schob sich Sophia vom Tisch hoch und ignorierte das Pochen in ihren Füßen, als sie Luca hinterherging. Sie folgte ihm durch die verwinkelten Korridore des Grand Hotels, ihr Herz hämmerte, als sie zusah, wie er in einem Flur verschwand, der zu den Toiletten führte.
Ihr Atem stockte, als sie ihm leise den Flur entlang folgte, ihre Absätze klickten leise auf dem Marmorboden. Sie blieb kurz vor dem Badezimmer stehen, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Für einen Moment überlegte sie, umzukehren und sich einzureden, dass sie paranoid sei, aber etwas in ihrem Bauch schrie, dass sie sehen musste, was vor sich ging.
Sie stieß die Tür auf, betrat das Badezimmer und erstarrte.
Dort, an die hintere Wand gedrückt, hatte Luca seine Arme um die Dame in Rot geschlungen, seine Lippen stürzten sich in einem fieberhaften Kuss auf ihre. Die Luft im Raum schien zu verschwinden, und Sophia fühlte sich, als hätte man ihr in den Magen geschlagen.
Die Tür knallte hinter ihr zu, das Geräusch hallte im gefliesten Raum wider. Luca und die Dame sprangen auseinander, ihre Augen waren vor Schock geweitet, als sie sich umdrehten und sie dort stehen sahen.
Stille senkte sich zwischen sie, das einzige Geräusch war das abgehackte Atmen von Luca und Isabella. Sophia stand wie angewurzelt da, ihr Körper war taub, ihr Verstand drehte sich.
Bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, machte Sophia auf dem Absatz kehrt und ging hinaus, ihr Herz hämmerte bei jedem Schritt.
















