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Schatten eines vergessenen Frühlings

Schatten eines vergessenen Frühlings

Autor: Lukas Frank

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Autor: Lukas Frank
26. Aug. 2025
"Ich hatte solche Angst, dass ich auf dem Weg ins Krankenhaus kaum klar denken konnte. Ich habe dir schon unzählige Male gesagt, Tante, dass du aufhören musst, alleine auszugehen!", sagte die Dame. Ihre Stimme zitterte vor Angst und Frustration, während die Worte ihr hastig über die Lippen kamen und ihre Beine sie eilig zum Bett von Mrs. Walker trugen. Noch blass von ihrem Erlebnis, aber mit Augen, die vor Dankbarkeit funkelten, schenkte Mrs. Walker ihr ein schwaches Lächeln. "Du solltest lieber diesem jungen Fräulein danken", sagte sie leise und deutete auf Emma. "Sie ist der Grund, warum ich noch lebe." Die Augen der Frau folgten Mrs. Walkers Blick, und ihr Gesicht wurde bleich, als sie Emma erblickte. Sie holte Luft, ihre Lippen öffneten sich ungläubig. Sie schwankte leicht auf ihren Füßen, als hätte der Anblick von Emma ihr den Atem geraubt. "Wa… Wer…", stammelte die Frau, ihre Hand fuhr zu ihrem Mund, während sie Emma mit großen Augen anstarrte. "Ich dachte dasselbe, als ich sie zum ersten Mal sah", sagte Mrs. Walker ruhig, obwohl tiefe Trauer in ihren Worten lag. "Einen Moment lang dachte ich, ich sähe ein Gespenst." Die Frau, die sich später als Marina vorstellte, schien um Fassung zu ringen. Ihre Hände zitterten, als sie eine davon Emma zum Händedruck entgegenstreckte. Emma nahm sie vorsichtig entgegen, ihr Herz raste vor Fragen. Warum hatte diese Frau sie angesehen, als hätte sie ein Gespenst gesehen? "Hallo", sagte Marina, ihre Stimme zitterte noch immer, aber sie erzwang ein Lächeln. "Ich bin Marina Banks, die Nichte von Mrs. Walker. Danke… dafür, dass Sie meiner Tante das Leben gerettet haben." "Gern geschehen", antwortete Emma leise und versuchte immer noch, das Geschehene zu begreifen. "Ich bin Veronica Moore." Marinas Hand umfasste Emmas Hand etwas fester, bevor sie losließ, und mit ihrer freien Hand wischte sie die wenigen Tränen weg, die aus ihren Augenwinkeln zu rollen begannen. "Sie… Sie sehen genauso aus wie meine verstorbene Cousine. Diana. Möge ihre Seele in Frieden ruhen." Ihre Stimme brach dabei, und sie blinzelte sofort, um die Feuchtigkeit zurückzuhalten, die drohte, aus ihren Augen zu quellen. "Es tut mir so leid", murmelte Emma, nicht wissend, was sie sonst sagen sollte. Ein seltsames Gefühl des Unbehagens erfüllte ihre Brust. "Es ist schon gut", flüsterte Marina, obwohl ihre Stimme zitterte. Sie setzte sich neben Mrs. Walker und legte ihren Arm schützend um die zarten Schultern ihrer Tante. "Tante, weinen Sie nicht. Ich bin jetzt hier." Sie streichelte Mrs. Walkers Hand sanft, um sie zu trösten, obwohl sie selbst ziemlich erschüttert aussah. Emma hatte das Gefühl, in einen zutiefst persönlichen Moment einzudringen, eine emotionale Strömung, die sie nicht ganz verstand. Sie nickte leicht und entschuldigte sich leise, um den Raum zu verlassen, ihr Geist noch immer benommen von der Begegnung. Ihre Kollegen begrüßten sie als Heldin zurück im Blumenladen, ihre Verehrung stand in scharfem Kontrast zu dem Wirbelwind an Emotionen, den Emma gerade erlebt hatte. Sie boten ihr den Rest des Tages frei an, aber Emma lehnte höflich ab, da sie die Ablenkung der Arbeit brauchte, um ihren Geist zu beruhigen. Während sie sich um die Blumen kümmerte, spielte sich das Bild von Marinas weißem, vor Schrecken erstarrtem Gesicht in ihrem Kopf ab. Die Art, wie sie Emma angestarrt hatte, als würde sie eine längst verstorbene Person ansehen, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Ein paar Tage später saß Emma im Wartezimmer des Arztes, ihre Hände schützend auf ihrem Bauch, während sie auf die Neuigkeiten wartete. Sie hatte sich in letzter Zeit etwas müder gefühlt, und sie glaubte, dass ihr Babybauch etwas zu schnell wuchs. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als der Arzt hereinkam. "Nun, Miss Moore, es scheint, wir haben heute eine Überraschung für Sie", sagte der Arzt und lächelte die Tabelle an. "Sie werden nicht nur ein Baby bekommen. Sie werden Zwillinge bekommen." Emmas Kinnlade klappte vor Überraschung und Schock herunter, als die Worte des Arztes in ihrem Kopf widerhallten und sie flüsterte: "Zwillinge?" Der Arzt nickte. "Das ist richtig. Zwei gesunde Babys." Die Worte blieben Emma im Hals stecken, und der Raum drehte sich leicht angesichts der Wucht dieser Nachricht. Zwillinge! Sie würde Mutter von nicht einem, sondern zwei Kindern werden. Eine Flut von Emotionen schoss in ihr hoch: Angst, Aufregung, Liebe und vor allem Dankbarkeit. Trotz all des Schmerzes, den ihr Ex-Mann ihr in der Vergangenheit zugefügt hatte, dankte sie ihm im Stillen dafür, dass er ihr wenigstens diese kostbaren Leben geschenkt hatte, auch wenn es auf die unerwartetste und herzzerreißendste Weise geschehen war. Als sie aus der Arztpraxis kam, wanderte ihre Hand instinktiv zu ihrem Bauch. Mit zwei Babys, die in ihr heranwuchsen, erstickten sie überwältigende Liebe und Verantwortung. Sie flüsterte ihnen ein leises Versprechen zu: "Ich werde euch das Beste geben, was ich kann. Ich werde euch beide mehr lieben als alles andere." Die Wochen vergingen schnell, verschwommen von den Anforderungen der Arbeit im Blumenladen. Emma stürzte sich in ihre Routine und fand Trost in den Blumen und dem Rhythmus ihrer täglichen Aufgaben. Und allmählich verblasste Mrs. Walkers Vorfall in den Hintergrund. Aber eines Nachmittags, gerade als sie einen Blumenstrauß neben das Fenster gestellt hatte, erregte die Türklingel über dem Ladeneingang ihre Aufmerksamkeit. Ein großer Mann in einem dieser teuren Anzüge stand vor der Tür. Er hatte eine Präsenz, die sofort Aufmerksamkeit erregte, und der Laden verstummte. "Entschuldigen Sie", sagte er mit einer tiefen, befehlenden Stimme. "Ich suche Miss Veronica Moore." Emmas Herzschlag setzte für einen Moment aus. Veronica war nicht ihr richtiger Name, und kaum jemand fragte nach ihr. Sie bewegte sich vorsichtig vorwärts. "Das bin ich. Wie kann ich Ihnen helfen?" Die Augen des Mannes waren stechend und kalt, was Emma an Alexander erinnerte. "Ich bin im Auftrag von Mrs. Walker hier. Sie hat mich gebeten, Ihnen eine Nachricht zu überbringen." Emmas Augen weiteten sich vor Schock und Unglauben, da sie Mrs. Walker seit diesem Tag im Krankenhaus nicht mehr gesehen hatte. Was konnte Mrs. Walker jetzt von ihr wollen? "Mrs. Walker?", wiederholte sie. "Geht es ihr gut?", fügte sie besorgt hinzu. "Es geht ihr gut", versicherte er ihr kalt. "Aber sie möchte mit Ihnen sprechen." Er reichte ihr den Umschlag, nickte höflich und verließ wortlos den Blumenladen. Emma stand da und starrte auf den Umschlag in ihrer Hand, ihr Herz hämmerte vor Neugier. Was konnte Mrs. Walker nur von ihr wollen? Sie ging in eine ruhige Ecke des Ladens und öffnete vorsichtig den Umschlag. Darin befand sich keine lange Nachricht, keine Erklärung, nur eine Zeile Text. **Diana House, Etage 69, morgen früh um 9 Uhr.** Emma blinzelte und las die Notiz erneut, ihr Geist raste. Diana House? Ihr stockte der Atem. Diana House war nicht irgendein Gebäude. Es war *das* Gebäude – das prestigeträchtigste, der höchste Wolkenkratzer des Landes. Der Inbegriff von Reichtum, Macht und Exklusivität. Im Besitz der schwer fassbaren Mrs. E. Walker, der reichsten Frau der Nation, deren Vermögen unvorstellbar war. Die Frau, deren Identität seit Jahrzehnten ein Geheimnis war, sorgfältig vor der Öffentlichkeit gehütet. Emmas Hände zitterten, als sie dies zusammensetzte. Könnte es sein? Die gebrechliche, sanfte alte Frau, der sie an diesem Tag geholfen hatte, war *die* Mrs. Walker? Die reichste und einflussreichste Frau des Landes? Ihr Herz hämmerte vor Unglauben. Natürlich hatte dieser Mann im Anzug so imposant ausgesehen; wahrscheinlich war er irgendein Mitglied von Mrs. Walkers innerem Zirkel. Der Gedanke kam wie ein Tsunami. Emmas Kinnlade klappte noch weiter herunter, als ihr Gehirn sich mehr anstrengte, diese neue Information zu verarbeiten: Mrs. Walker war nicht nur eine gewöhnliche, süße, ältere Frau, die sie gerettet hatte, sondern ein Mitglied einer der geheimsten, mächtigsten Familien der Welt, eine Familie, für die Superstars eine besondere Untertreibung war. Die Walkers waren für die Medien wie Geister, von denen nur in exklusiven Kreisen in gedämpften Flüstern gesprochen wurde. Und doch hatte sie eine von ihnen gerettet. Was würde eine Person von Mrs. Walkers Rang von ihr wollen? Emma hatte sie ohne Geld oder Verbindung gerettet; es war lediglich eine Tat des Herzens gewesen, ohne Erwartungen an irgendetwas im Gegenzug. Nun war es aufregend und einschüchternd zugleich, in Diana House zu gehen und Mrs. Walker im 69. Stock zu treffen. In dieser Nacht schlief Emma unruhig, ihr Geist war ein Labyrinth aus Frage um unbeantwortbare Frage. Was konnte Mrs. Walker nur von ihr wollen? Würde sie einen Geldvorschlag machen? Ihr eine Position anbieten? Oder sollte es etwas ganz anderes sein? Wie auch immer sie es versuchte, das Unbehagen wollte sie einfach nicht verlassen. Reichtum war nicht etwas, das sie wollte; sie hatte keinen Drang, irgendeine soziale Leiter zu erklimmen, nicht nach ihrem kürzlichen Fall von einer solchen Leiter. Dennoch schien dieses Treffen ein Angebot zu sein, das sie nicht ablehnen konnte. Die Stunden vergingen; mit der Last des morgigen Tages starrte Emma an die Decke. Es war nicht das Leben, das sie wollte. Sie hatte sich nur erhofft, ein ruhiges Leben zu führen, ihre Zwillinge aufzuziehen und einfach weiterzumachen. Es schien, als würde das Schicksal sie nun in etwas ziehen, das weit außerhalb ihrer Kontrolle lag. Als es endlich hell wurde, war sie noch nicht eingeschlafen. Alles, was sie tun konnte, war, mit einem rasenden Herzschlag in Erwartung dessen, was als Nächstes geschehen würde, dazuliegen.

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