Megan fand ihren Cousin schon immer ein wenig einschüchternd.
Sobald sie ins Auto gestiegen war, blieb sie still und wagte es nicht, ein Wort zu sagen.
Im Inneren des Fahrzeugs fühlte sich die Stille seltsam schwer an.
Auroras Blick wanderte zu dem lederumwickelten Rosenkranzarmband um Lucas’ Handgelenk.
Irgendetwas daran kam ihr bekannt vor, aber mit dem Alkohol, der ihren Verstand benebelte, konnte sie es nicht ganz zuordnen.
Dennoch tauchte eine verschwommene Erinnerung auf, als sie sich an das erste Mal erinnerte, als sie ihn getroffen hatte.
Jahre waren vergangen, doch er war immer noch genauso auffallend, seine Präsenz genauso gebieterisch.
Megans Haus war in der Nähe.
Nachdem er sie abgesetzt hatte, fuhr Lucas weiter, nun in Richtung Auroras Hotel.
Als sie allein im Auto waren, durchbrach seine Stimme plötzlich die Stille, lässig, aber undurchschaubar.
„Planst du, in Ravenshore zu bleiben?"
„Ja."
Aurora zögerte einen Moment, bevor sie nickte.
Sie standen sich nicht besonders nahe, also kehrte nach diesem kurzen Austausch schnell wieder Stille ein.
Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, und bevor sie es merkte, übermannte sie der Schlaf.
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als eine tiefe Stimme sie ins Bewusstsein zurückholte.
„Aurora, wach auf."
Sie öffnete ihre Augen und starrte direkt in seinen dunklen, durchdringenden Blick.
Für einen kurzen Moment fühlte sie sich desorientiert.
„Lucas?"
Ihre Stimme war langsam, immer noch vom Schlaf durchzogen.
Die Autotür war jetzt offen, und er hatte sich hineingelehnt, sein hochgewachsener Körper füllte den Raum zwischen ihnen aus.
Sein Gesicht, unglaublich markant, war plötzlich zu nah.
Er senkte seinen Blick, seine Züge scharf und kalt, aber mühelos elegant.
Der klare Duft von Zedernholz haftete an ihm, frisch und kühl, und umhüllte ihre Sinne.
Für eine Sekunde überlagerte sich das Bild von ihm mit der Erinnerung an den Jungen, der ihr einst den Atem geraubt hatte – den sie nie ganz vergessen konnte.
Auroras rote Lippen verzogen sich zu einem trägen Lächeln. „Du bist lächerlich gutaussehend."
Der Alkohol wirbelte durch ihre Adern, als sie zu ihm aufblickte, ihre Augen verschwommen.
Dann, ohne Vorwarnung, griff sie nach ihm und legte ihre Arme um seinen Hals.
„Willst du mit mir schlafen?"
Ihre Stimme schleppte am Ende, langsam und lasziv, triefend vor Versuchung.
Lucas erstarrte für einen Moment.
Dann, mit einem gefassten Gesichtsausdruck, hob er die Hand und strich ihr eine verirrte Haarsträhne hinter das Ohr.
„Du bist betrunken", sagte er gleichmäßig.
Sie spürte die sanfte Berührung seiner Finger und stieß ein leises Summen aus, aber sie war nicht bereit, ihn so leicht davonkommen zu lassen.
„Nein, bin ich nicht."
Sie war mehr als nur angetrunken, ihr Verstand wirbelte mit Bildern von Joseph, den letzten Jahren und der Last der Erwartungen ihrer Familie.
Sie war immer rebellisch und aufsässig gewesen.
Doch für Joseph hatte sie vorgegeben, jemand zu sein, der sie nicht war.
Für eine Wette hatte sie sich bereitwillig einsperren lassen.
Heute Abend wollte sie vielleicht zum letzten Mal loslassen.
„Lucas", murmelte sie, lehnte sich vor und ihr mitternachtsschwarzes Haar streifte seine Wange. „Willst du mich oder nicht?"
Diese flüchtige Berührung, sanft wie ein Flüstern, sandte ein langsames, kriechendes Gefühl durch ihn hindurch wie ein leises, sich ausbreitendes Feuer.
Im nächsten Moment krachten seine Lippen auf ihre, kühl und unnachgiebig.
Seine Hand fand ihre Taille, die Finger drückten sich hinein, besitzergreifend und sicher.
Sein Atem vermischte sich mit ihrem, als er gegen ihre Lippen flüsterte: „Aurora, bereue das nicht."
Dann fing er ihre Unterlippe zwischen seinen Zähnen ein, neckend und befehlend, und ließ keinen Raum für einen Rückzug.
Ihre Atemzüge gingen heiß, vermischten sich in dem aufgeladenen Raum zwischen ihnen.
Auroras Wimpern zitterten, als sie ihr eigenes Spiegelbild in Lucas’ dunklen Augen sah, zusammen mit dem unbestreitbaren Sog des Verlangens, das unter seiner üblichen Gelassenheit verborgen lag.
Diese kühle, distanzierte Aura von ihm war nun in etwas Tieferes und Turbulenteres gehüllt.
Ein seltsamer Durst machte sich in ihrer Kehle breit, und ohne nachzudenken, drückte sie sich näher an ihn heran, vertiefte den Kuss und gab sich der Hitze hin.
Im Inneren des Autos brannte die Atmosphäre, dick vor Spannung.
Die leisen Geräusche von Wasser und Bewegung erfüllten die Luft.
Manche Dinge zwischen Mann und Frau hatten die Eigenart, gefährlich süchtig zu machen.
Vom Auto zum Bett stürzten sie in etwas hinein, das keiner von beiden benannte.
Als es vorbei war, fühlte sich Aurora an, als ob Wellen von Empfindungen sie durchspült hätten, die ihre Glieder schwach und ihre Sinne getrübt zurückließen.
Als sie aufwachte, hatte sich ein tiefer Schmerz in ihrem Körper festgesetzt.
Ihre Augen flatterten auf, Erinnerungen an die vergangene Nacht setzten sich langsam wieder zusammen.
Dann versteifte sich ihr Körper.
Sie hatte mit Lucas geschlafen.
Ihr Verstand raste, als sie es verarbeitete.
Sogar ein Fuchs wusste es besser, als seinen eigenen Bau zu überfallen, und doch war sie hier und überschritt eine unausgesprochene Grenze.
Tessas Gesicht blitzte in ihren Gedanken auf, was die ganze Situation noch absurder erscheinen ließ.
Bevor sie zu viel nachdenken konnte, verstummte das Geräusch von fließendem Wasser abrupt.
„Du bist wach."
Aurora hob ihren Blick, gerade als die Badezimmertür aufschwang.
Lucas stand dort in einem Bademantel, sein schlanker, modellierter Körper noch feucht.
Wassertropfen glitten an seinem festen Bauch hinunter und verschwanden unter dem Stoff an seiner Taille.
Eine Röte stieg in ihre Wangen, bevor sie sie aufhalten konnte.
„Entschuldige", platzte sie heraus und suchte instinktiv nach einer Ausrede. „Ich war gestern Abend betrunken."
Lucas hielt inne, sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
Seine scharfen Augen verengten sich leicht und taxierten sie.
Aus irgendeinem Grund wurde sein Ton um ein paar Grad kälter. „Na und?"
Aurora hob ihre Kleidung vom Boden auf.
Leichte Male bedeckten ihre Haut, aber sie unternahm keine Anstrengung, sie zu verdecken.
Stattdessen erwiderte sie Lucas’ Blick direkt, die Mundwinkel ihrer roten Lippen verzogen sich zu einem kleinen, trägen Lächeln.
„Megan und ich sind immer noch Freunde", sagte sie leicht. „Also wegen gestern Abend… Lukey, du hast doch nichts dagegen, oder?"
Dieses lässige „Lukey" rollte mit einem neckenden Unterton, langsam und unaufgeregt über ihre Zunge.
Aber vielleicht bildete sie es sich ein, denn in dem Moment, als sie es sagte, schwor sie, dass sein Gesichtsausdruck noch kälter wurde.
Er zündete sich eine Zigarette an, der schwache Schein warf Schatten auf seine scharfen Züge.
Seine dunklen Augen verweilten auf ihr, bevor er träge sagte, sein Ton genauso gleichgültig: „Gibst du allen deinen männlichen Freunden Spitznamen? Wie zum Beispiel… Joseph Hunt?"
















