Ashton
Ich kann meine Füße nicht mehr spüren, mein Herz scheint auszusetzen, während ich krampfhaft versuche, nicht zu atmen. W-Wie kann mein Zwilling am Leben sein? Ist das eine Halluzination? Ist das die Wahrheit? Mein Herz bleibt beinahe stehen bei diesem Anblick. Nick, mein Zwilling, steht leibhaftig vor mir? Wenn er lebt, wessen Leiche haben wir dann eine Woche lang beweint? Ich war doch so sicher, dass mein Zwilling tot ist. Dass er mich für immer verlassen hat.
„Ash?", fragte Zie, sah erst mich und dann meinen Zwilling auf der Bühne an. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Wie ein Film spielte sich der Tag vor meinen Augen ab, als meine Eltern mir eröffneten, dass mein Zwilling tot sei. Dass er den Unfall vor zwei Jahren nicht überlebt hätte. All diese Jahre voller Lügen. Aber warum sollten sie mich anlügen?
Ich schluckte schwer, als mein Blick erneut auf meinem Zwillingsbruder ruhte. Seine Augen wirkten so unendlich müde und traurig, sein Blick auf die Gäste war leer und emotionslos. Mein Herz sank, als mir bewusst wurde, dass mein Bruder ein Opfer von Menschenhandel ist. Warum verkaufen sie ihn? Er steht verdammt noch mal nicht zum Verkauf! Ich kann nicht zulassen, dass irgendein geiler Drecksack ihn ersteigert.
Ich umklammerte Zies Hand, sah ihn flehend an. Im Moment bin ich machtlos, aber ich kann Zie um Hilfe bitten.
„B-Bitte, hilf ihm", flehte ich. Die Maske, die ich trug, konnte die Tränen, die unaufhaltsam über mein Gesicht liefen, nicht länger verbergen.
„Okay, das Höchstgebot liegt bei fünf Millionen, zum Ersten... zum Zweiten...", verkündete der Auktionator.
Ein Moment gespannter Stille erfüllte den Raum. Alle hielten den Atem an und warteten darauf, ob jemand das Gebot von fünf Millionen überbieten würde. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als eine Hand mit einer Bieterkarte in die Höhe schnellte.
„10 Millionen!", unterbrach der Bieter den Auktionator. Ich sah Zie an, doch er zuckte nur hilflos mit den Schultern. „Bitte, Zie, kauf ihn frei, und ich tue alles, was du willst", flehte ich ihn an und bot mich zum zweiten Mal selbst als Pfand an. Ich weiß nicht, ob Zie überhaupt etwas für mich empfindet, aber ich hoffe, er hat Mitleid. Ich hoffe, er hilft mir.
„Es tut mir leid, Ash, aber ich kann diese Summe nicht investieren", sagte Zie leise, doch seine Worte trafen mich wie ein Donnerschlag.
„Bitte", flehte ich, aber Zie schien mich nicht zu hören. Er nahm mich nur in den Arm. Doch seine Umarmung bedeutet mir jetzt nichts, ich brauche seine Hilfe, um meinen Bruder zu retten. Ich weiß, dass ich zu viel verlange, aber ich bin verzweifelt.
„Zehn Millionen. Zum Ersten... Zum Zweiten... Zum Dritten..." Der Auktionator wurde erneut unterbrochen.
„20 Millionen!"
Ich vergrub mein Gesicht in Zies Schulter. Es gibt keine Möglichkeit mehr, meinem Bruder zu helfen. Das Gebot ist unerreichbar. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, weil ich versagt habe.
„20 Millionen. Zum Ersten... Zum Zweiten... Zum Dritten... Und..."
„VERKAUFT!", rief der Auktionator, und im selben Moment erlosch das Licht, und eine unheimliche Dunkelheit umfing mich.
Als das Licht wieder aufleuchtete, war mein Zwillingsbruder verschwunden. Die Bühne war leer.
Ich brach in lautes Weinen aus. Zum Glück übertönte die laute Musik und das Stimmengewirr im Saal meine Schreie. Ich kann diesen Schmerz nicht mehr ertragen. Er erstickt mich. Ich klammerte mich an Zies breite Schulter und weinte hemmungslos, während er mich sanft umarmte.
...
Zie
Ashton war weinend eingeschlafen. Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig war, ihn zu dieser verdammten Veranstaltung mitzunehmen. Ich war wie vor den Kopf gestoßen, als der Auktionator das heutige Objekt der Begierde präsentierte und ich ein Abbild von Ashtons Gesicht erkannte. Einen Augenblick lang dachte ich, er wäre es selbst, doch dann wurde mir klar, dass es sein Zwillingsbruder sein muss. Ich wusste nicht, dass Ash einen Zwilling hat. Sie sind sich so ähnlich, bis auf die Tatsache, dass sein Bruder im Vergleich zu Ashtons drahtiger Figur etwas zierlicher wirkt.
Seine Situation tut mir unendlich leid. Er ist viel zu jung, um mit so viel Stress und Problemen fertig werden zu müssen. Ich wollte ihm so gerne helfen, mein Herz brach fast, als er mich anflehte, aber ich war machtlos. Ich kann es mir einfach nicht leisten, so viel Geld auszugeben. Meine Firma stünde auf dem Spiel, wenn ich eine solche Investition tätigen würde.
Nachdem wir ins Auto gestiegen waren, bettete ich Ashtons Kopf auf meinen Schoß. Er schien so erschöpft vom Weinen zu sein, dass er nicht einmal zusammenzuckte, als der Wagen anfuhr. Während der Fahrt starrte ich nur auf Ashtons trauriges Gesicht, als mein Handy plötzlich vibrierte. Ich zog es aus meiner Smokingtasche und warf einen Blick auf das Display. Rex' Nummer. Ohne zu zögern, nahm ich den Anruf entgegen.
„Hey", sagte ich in den Hörer.
„Wie geht es Ash? Ist er okay?", fragte er besorgt.
„Ich weiß es nicht, Rex. Er ist weinend an meiner Schulter eingeschlafen, aber ich glaube, er wird überglücklich sein, wenn er erfährt, dass sein Zwilling bei dir ist. Ich hoffe, wir können bald ein Treffen vereinbaren", sagte ich hoffnungsvoll.
„Selbstverständlich, mein Freund. Nick schläft auch gerade", antwortete Rex. Erleichtert atmete ich aus.
„Danke, dass du Nick gerettet hast, mein Freund. Ich wollte Ashton so gerne helfen, aber ich kann es mir nicht leisten, meine Firma zu verlieren", sagte ich traurig, strich Ashton sanft über seine rosigen Wangen und verweilte zärtlich auf seiner Haut.
„Ich verstehe das, mach dir keine Sorgen. Sag einfach Bescheid, wenn du Hilfe für deine Firma brauchst. Du weißt, ich helfe dir gerne", sagte Rex. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich bin ihm so dankbar für alles, was er für mich getan hat.
„Danke, mein Freund. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde", sagte ich aufrichtig. Nach ein paar weiteren Minuten beendeten wir das Gespräch mit dem Versprechen, so bald wie möglich ein Treffen für die Zwillinge zu arrangieren.
















