Am nächsten Tag ging Anna in ein Krankenhaus zu einer LASIK-Operation, die ihre Kurzsichtigkeit korrigierte. Sie hatte sich diese Behandlung schon immer gewünscht, aber Nicole hatte sie jedes Mal davon abgehalten. Ihrer Meinung nach ließen Brillen Frauen intelligenter und akademisch tiefgründiger erscheinen. Anna hatte Nicoles Plan immer durchschaut, aber sie redete sich ein, dass das Aussehen keine Rolle spielte – es sei ihre innere Schönheit, die zählte. „Jamie, du hattest Recht. Die Welt schert sich nur um dein Aussehen.“ „Meine Liebe, es ist nicht zu spät, diese Erkenntnis zu gewinnen.“ … Am Sonntag war die Atmosphäre im Anwesen der Familie Dawson ausgelassen. Unzählige Prominente und renommierte Geschäftsleute aus allen Gesellschaftsschichten hatten sich versammelt, um den 70. Geburtstag der angesehenen Großmutter Dawson zu feiern. Die Vorfahren der Familie Dawson waren einst Adelige von Johannes City gewesen. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht die reichsten in Johannes City waren, war der Familienname immer noch bekannt und in der Stadt hoch angesehen. Außerdem waren sie durch Heirat mit der Milliardärsfamilie Ackman verbunden. Der Ballsaal des Anwesens war voller Gäste, die Großmutter Dawson gratulieren wollten. Großmutter Dawson trug an diesem Abend ein rotes Kleid. Obwohl sie volles weißes Haar hatte, war sie immer noch rüstig und gesund. Außerdem hatte sie ihre Haut so gut gepflegt, dass fast keine Falten in ihrem Gesicht zu sehen waren. Sie wirkte immer noch so graziös und ehrenwert wie zuvor. Mit Hilfe eines Dienstmädchens wankte Großmutter Dawson mit einem Stock in der Hand in den Ballsaal. Alle stürmten auf sie zu, um ihr zu helfen und ihr gleichzeitig zu gratulieren. Großmutter Dawson suchte Anna in der Menge, konnte aber nur ihre aufwendig gekleidete Stiefmutter Nicole und ihre Schwester Chloe sehen, die ein auffälliges, leuchtend rotes Kleid trug. „Wo ist Anna? Ist sie nicht mit euch angekommen?“, fragte Großmutter Dawson Nicole. Nicole drängte sich eilig durch die Menge, um zu Großmutter Dawson zu gelangen. Sie lächelte und antwortete: „Ach, das Kind hat sich in letzter Zeit etwas seltsam verhalten. Vor zwei Tagen hat sie uns erzählt, dass sie in der Schule zu tun habe und dort übernachten würde. Seitdem ist sie nicht mehr nach Hause gekommen. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo sie steckt. Sie nimmt nicht einmal ihr Telefon ab.“ Großmutter Dawson runzelte die Stirn. „Vielleicht hat sie wirklich etwas in der Schule zu erledigen.“ „Oma Dawson, keine Sorge. Es ist dein Geburtstag! Anna wird sicher kommen“, versicherte Chloe, während sie liebevoll ihren Arm um Großmutter Dawsons Arm schlang, als wäre sie ihre eigene Großmutter. Großmutter Dawson tätschelte Chloes Hand und scherzte: „Chloe, du siehst heute wunderbar aus. Du trägst sogar das gleiche Rot wie ich. Manche könnten sogar denken, dass du deinen 70. Geburtstag feierst!“ „Oma Dawson, machst du dich etwa über mich lustig?“, fragte Chloe errötend mit einer honigsüßen Stimme. Alle Gäste lachten und machten Chloe Komplimente für ihre Schönheit. Sie stach wirklich aus der Menge hervor. Es gab sogar Leute, die kommentierten, dass derjenige, der sie als seine zukünftige Braut bekommen würde, der glücklichste Mann der Welt wäre. Chloe hob stolz den Kopf und wandte sich Bryan zu. Bryan antwortete mit einem spielerischen Augenbrauenheben. Subtil flirteten die beiden mit ihren Augen. Bryan trug einen maßgeschneiderten silbernen Anzug. Auch er stach in der Menge hervor und zeigte ein imposantes und doch elegantes Aussehen. Viele der anwesenden Damen der Oberschicht warfen ihm heimlich Blicke zu. Irgendwo in der Menge war ein Flüstern zu hören. „Wie kann es nur einen so großen Unterschied zwischen den beiden Hamilton-Schwestern geben! Jedes Mal, wenn ich sie sehe, sieht Anna aus, als könnte sie Chloes Assistentin sein!“ „Pscht! Sei nicht so laut! Die Familie Hamilton oder Dawson könnte dich hören. Anna ist nicht nur die alleinige Nachfolgerin der Lincoln Group, sondern auch die zukünftige Braut der Familie Dawson!“ Da Anna nicht angekommen war, rief Bryan sie immer wieder ängstlich an, aber sie nahm nie das Telefon ab. Anna hatte sich in den letzten Tagen seltsam verhalten – jedes Mal, wenn er versuchte, mit ihr zu sprechen, antwortete sie nur mit kurzen Grunzlauten und Murmeln. Verärgert schickte Bryan Anna eine SMS. [Wo zum Teufel bist du? Alle sind hier und warten auf dich. Es ist Omas Geburtstag, kannst du nicht etwas Höflichkeit zeigen?] Gerade in diesem Moment näherte sich Bryan jemand mit einem Glas Wein in der Hand. „Bryan, wo ist denn deine hoch angesehene Verlobte? Ist diese Veranstaltung etwas zu groß für sie?“ Bryan umklammerte sein Handy fest in der Hand und zwang sich zu einem Lächeln. „Es stimmt, dass meine Verlobte es vorzieht, sich schlicht zu kleiden, anstatt sich wie die anderen Damen hier herauszuputzen, aber ich liebe sie trotzdem sehr. Ich hoffe, dass Sie es unterlassen können, schlecht über sie zu sprechen.“ Ein paar Leute um ihn herum kicherten. „Schon gut. Wir alle wissen, wie Zwecksehen so sind.“